Startseite-> Kolumnen-> 2014-> 05|07|14 Handeln - Folgen

Alles was wir tun hat Folgen


In Würde und richtig behandelt alt zu werden ist in Zeiten der Ökonomisierung der Medizin nicht mehr ganz so einfach.

Varel 07-06-2014 | Oftmals neigen die Menschen in der heutigen Zeit dazu, nur mit engstem Tunnelblick bis zum unteren Tellerrand ihr eigenes Tun und Handeln zu betrachten.

Das kann sehr bequem sein und schützt unter Umständen auch vor einer Überforderung der eigenen Leistungsfähigkeit. Ist ein solcher Lebensstil aber auch richtig?

Sie kennen doch die Geschichte vom Schmetterling der in Norddeutschland auf einem Ast landet und in China wird dadurch ein Erdbeben ausgelöst?

Will sagen:
Unser jegliches Tun und Handeln hat Folgen, hat Auswirkungen auf den weiteren Verlauf.

Den Verlauf eines Wohlbefindens. Den Verlauf einer Erkrankung. Ja sogar auf den Verlauf eines ganzen Lebens ganzer Menschengruppen wie z. B. Familien.

Im Gesundheitsbereich erlebe ich dies sehr oft. Teilweise bekomme ich Patienten mit 15 unterschiedlichen Medikamenten. Allein die Tatsache, dass man von einer Handvoll Tabletten am Morgen bereits satt ist und keinen Appetit mehr auf das Brötchen hat, ist schon nicht unerheblich. Die Wechselwirkungen der Medikamente untereinander sind gar nicht mehr überschaubar. Bestehende Erkrankungen können unter Umständen verschlimmert, ja sogar neue Krankheitsbilder können dadurch hervorgerufen werden.

Den Schülern der Krankenpflegeschule erkläre ich deren Verhalten entsprechend.

Ein Patient mit Verschleiss eines Gelenkes nimmt wegen der Schmerzen ein Medikament. Dieses Medikament greift den Magen an. Also muss er auch noch ein Medikament nehmen, das den Magen schützt. Ansonsten droht ein Geschwür oder eine Blutung. Der Patient hat aber nun 2 Wochen zuvor einen Platzhalter in eine Herzkranzader eingesetzt bekommen, einen Stent. Damit dieser Stent sich nicht wieder durch ein Blutgerinnsel verschließt muss er Medikamente nehmen. Die gleichzeitige Einnahme des Magenschutzes behindert aber die Wirkung dieser Medikamente. Somit kann der Stent sich verschließen. Es kann ein Herzinfarkt die Folge sein. Ein Rattenschwanz …

Sie sehen:
Die Behandlung eines Menschen und besonders eines alten Menschen ist mit größter Demut durchzuführen weil wir der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen sein können.

Oftmals gleicht der Zustand eines alten, kranken Menschen einem Dominospiel. Kippt der erste Stein um, reißt er die anderen mit.

Die Kunst des Geriaters besteht nun darin, diese Kettenreaktion aufzuhalten und die gefallenen Steine wieder bestmöglich aufzustellen.

Wir sollten uns immer vor Augen halten:
Alles was wir tun hat weitreichende Folgen, auch wenn ich das durch die Scheuklappen nicht sehe.

Bild: GRUPPO|635 - hufenbach
Peter Plettenberg
Facharzt für Geriatrie | St. Johannes Hospital | Varel